Wechselbad der Gefühle – Aus dem Alltag einer „Corona-Mama“
Ein Thema, das viele Menschen beschäftigt und das in Corona-Zeiten angesichts von wirtschaftlichen Fragen oft untergeht, ist die Situation der Familien; und hier insbesondere die der Mütter und ihrer Kinder.
Gerade wurden die Richtlinien für eine weitere Öffnung der Kindergärten verkündet. Aber es wird noch lange dauern bis zu den gewohnten Betreuungszeiten. Schließlich gilt es auch in den Kitas, die Verbreitung des Virus zu verhindern und die MitarbeiterInnen zu schützen.
Mittlerweile sind viele Familien mit Kindern am Limit, vor allem die Mütter, die nach wie vor den größten Anteil der Erziehungsarbeit leisten und die (oft) in Teilzeit arbeiten oder ganz zu Hause bleiben.
Eine Mutter hat mir ihre Sicht der Dinge in sehr eindrucksvoller Form geschildert. Sie hat ihre momentane Situation in einer kleinen Reportage beschrieben. Dabei kommt sehr deutlich die innere Zerrissenheit zum Ausdruck. Denn einerseits will man natürlich eine gute Mutter sein und freut sich mit den Kindern. Andererseits sind zwei kleine Energiebündel voller Tatendrang und Entdecker-Lust eine Herausforderung, wenn man so viel Zeit an die eigenen vier Wände gebunden ist. Der Haushalt macht sich auch nicht von alleine, selbst wenn der berufstätige Mann mithilft. Vor allem hat auch Mama noch Hobbys, Interessen und den Wunsch nach etwas Zeit „für sich“. Wenn die Kinder irgendwann im Bett sind und die Augen nur noch zufallen wollen, bleibt dafür nicht mehr viel Gelegenheit.
Damit wir uns nicht falsch verstehen: Die Mutter klagt nicht. Beim Lesen spürt man all die Liebe und Wärme einer Mutter, aber eben auch die Tatsache, dass selbst liebende Mütter irgendwann an Grenzen stoßen.
Die Beschreibung ihrer Situation hat mich sehr beeindruckt. Ich habe großen Respekt vor der Leistung, die Mütter – und natürlich Väter – in den Familien erbringen, gerade in der momentanen Situation.
Ich hatte ihr vorgeschlagen, dass sie ihre Geschichte veröffentlicht. Jetzt bin ich ganz stolz, dass sie mir erlaubt hat, das für sie zu tun. Hier also ihre kleine Geschichte über den Alltag einer Corona-Mama:
Wechselbad der Gefühle:
Zwischen Leben am Limit und Hoffnung am Horizont
Aus dem Alltag einer Corona-Mama
Donnerstag, 21. Mai 2020
Hubig erhört Familien
Gestern kam endlich ein positives Signal aus unserem rheinland-pfälzischen Bildungsministerium. Zunächst atme ich kurz erleichtert auf und denke: „Es geht endlich einen Schritt weiter“, um dann ernüchtert festzustellen, dass laut Aussage von Dr. Stefanie Hubig ab Anfang Juni ein „eingeschränkter Regelbetrieb“ in den Kitas wieder aufgenommen werden soll. Immerhin stunden- oder tageweise soll K1 (ist im Januar drei Jahre alt geworden) wieder zu ihren Freundinnen, Freunden und Erzieherinnen zurückkehren dürfen. Mir kommen unsere drei herzlichen Heldinnen an der Pädagoginnenfront in den Sinn. Wie sollen sie sich schützen, wenn die lieben Kleinen sie freudestrahlend endlich wieder in die Arme schließen wollen? Spielen und toben mit Sicherheitsabstand? Undenkbar und gleichzeitig wenig sinnvoll.
Das Erziehungspersonal ist der Virusgefahr Tag für Tag mehr oder weniger schutzlos ausgeliefert.
Aber für K1 freue ich mich sehr – und auch für mich und unser Familienleben. Endlich ist ein kleines Stück Alltag in greifbare Nähe gerückt und die quälende Ungewissheit, wann und wie es weitergehen kann, ist nicht mehr ganz so präsent wie in den vergangenen Wochen. Ob und wann K2 (die kleine Schwester wird im Juli zwei) eingewöhnt werden kann, steht in den Sternen. Ich bin gespannt, wie unsere Kita die vorgegebenen Leitlinien des Ministeriums mit Leben füllen wird. Meine Erwartungen sind hoch, aber sie müssen auch realistisch umsetzbar sein. Mir wird nach und nach klar und die Vertreter des Landeselternausschusses betonen es mehrfach: „Auch in den nächsten Monaten wird es keine Normalität in den Kitas geben“.
Rückblick:
Freitag, 15. Mai 2020
Nachdem ich mir die Tagesschau und das anschließende Extra angesehen habe – wie immer natürlich irgendwann am späten Abend in der Mediathek (danke für diese Erfindung!), wenn die Kinder endlich im Bett sind, das Nötigste im Haushalt erledigt ist und ich halbtot auf die Couch gesunken bin – bin ich wütend. Sehr wütend.
Fußball ist unser Leben…
Gefühlt 80 Prozent der Nachrichtensendung thematisierten das zweitliebste Kind der Deutschen (neben dem Auto): Fußball. Ab morgen rollt der Ball endlich wieder, das Runde darf wieder ins Eckige und ein Spiel dauert 90 Minuten. Auch in der Corona-Infosendung 15 Minuten fast weinende Vollblutfans mit Schal und Trikot in den Vereinsfarben ihrer Lieblingsmannschaft; gestandene Männer im besten Alter, die betrauern, dass sie beim Revierderby nicht hautnah dabei sein und die Stimmung im Stadion genießen dürfen. Das sei einfach nicht dasselbe!
Ernsthaft?! Mir fällt nichts mehr ein. MEINE Stimmung ist auf dem Nullpunkt. Ist das gerade das wichtigste Thema in diesem Land? Lebe ich auf einem anderen Stern? Haben die den Knall nicht gehört? Oder ticke ich falsch und die anderen sollten tatsächlich normal sein? Fassungslosigkeit macht sich breit.
Nicht, dass ich Fußball nicht auch toll fände (ich habe ein paar Jahre in unmittelbarer Nähe des Müngersdorfer Stadions gelebt und jede Woche mit dem FC mitgefiebert, viel gelitten aber auch viel gefeiert), und ich gönne jedem sein Fußballerlebnis von Herzen. Es ist nur die Prioritätensetzung, die mich mehr als irritiert. Wo bleiben wir denn? Die Familien, die Kinder, die tausendfach belasteten Mütter?
Belastungsgrenze erreicht
Seitdem die Kitas geschlossen sind (wir starten am Montag in die zehnte Woche) und der Corona-Wahnsinn unser aller Alltag einmal durchgeschüttelt hat, vergeht kein Tag, an dem ich nicht denke: „Ich kann nicht mehr! Ich will hier weg! Ich brauche dringend zwei Wochen Urlaub – allein! Oder wenigstens ein Wellnesswochenende und eine Nacht mit acht Stunden Schlaf“. Meistens abends, wenn meine Nerven blank liegen, das Haus aussieht wie ein Schlachtfeld, die Kinder müde, weinerlich und überdreht sind. Dann schicke ich gedanklich Stoßgebete gen Himmel: „Lieber Gott, bitte mach, dass die Kinder aufhören zu zanken, zu zicken, zu toben, mal ihre süßen Schokomünder halten, damit ich fünf Minuten in Ruhe nachdenken kann, heute ohne Drama vor 21 Uhr ins Bett gehen oder, oder, oder…“. Und dabei bin ich nicht mal besonders gläubig, hoffe aber inständig, dass wenigstens er – wenn es ihn denn gibt – ein Einsehen hat und mir beisteht, wenn sich schon sonst keiner für mich und meine Bedürfnisse zu interessieren scheint. Ich habe das Gefühl, dass gerade die Bedürfnisse und Belange von Frauen und Kindern in Krisenzeiten als erstes hinten runterfallen. Läuft schon alles irgendwie. Die machen das schon. Mit links. Nachts.
Ich warte seit Wochen auf ein Signal der politisch Verantwortlichen, wie es für uns perspektivisch weitergehen kann. Ich kann nichts planen, lebe von Tag zu Tag. Und das ist gerade ziemlich unbefriedigend.
Ich bin fit
Montag, 11. Mai 2020
Heute Morgen bin ich von alleine aufgewacht. Es muss nach acht Uhr gewesen sein! Ohne Wecker, „Maaama“ rufende Kinder oder Patsche-Händchen, die meine Augenlider aufklappen mit gleichzeitiger Forderung: „Mama, ich bin wach. Draußen ist es schon hell. Du sollst nicht mehr schlafen. Ich möchte runter!“
Wann gab es das zuletzt? Ich kann mich nicht mehr erinnern.
Seit langem fühle ich mich mal wieder ausgeruht, fit und voller Tatendrang. Obwohl ich gestern Abend – wie so oft in den letzten Wochen – im Wohnzimmer auf der Couch ins Koma gefallen bin. Das passiert eigentlich immer, sobald ich mich kurz hinsetze. Und ich wache auf mit laufendem Fernseher, dessen Programm (und es laufen nachts teilweise sehr seltsame Sachen!) ich regelmäßig in meine Träume einbaue. Nicht wirklich erholsam. Aber heute bin ich glücklich und optimistisch, dass ich alles schaffen kann.
Muttertag
Gestern war Muttertag und gleichzeitig der Geburtstag meiner Mama. Ich habe den ganzen Tag mit ihr, meinem Vater, meinem Bruder und seiner Freundin bei meinen Eltern zu Hause verbracht. Wir haben in Ruhe gefrühstückt, geredet, gelacht, zu Mittag gegessen, geredet, gelacht, es gab Eis und von meinem Bruder selbst gebackenen Kuchen und viel gemeinsame Zeit. Eigentlich haben wir viel zu viel gegessen, fällt mir auf, während ich das hier so schreibe. Aber es war schön! Erwachsenengespräche ohne ständige Unterbrechungen, jeder ging zwischendurch seiner Wege, um sich dann an der reich gedeckten Tafel wieder zusammenzufinden. Ich war im Garten und habe die wunderschön blühenden Blumen angesehen und die Ruhe genossen, die im Hintergrund nur durch ein wenig Vogelgezwitscher und Froschquaken aus dem Teich des Nachbarn durchbrochen wurde.
Vorbilder
Meine Mutter ist mir wichtig! Genau wie mein Vater ist sie die, die immer da ist. Die mir zuhört, wenn ich mal wieder kurz vorm Nervenzusammenbruch stehe. Mir Ratschläge gibt, wenn ich sie darum bitte. Und lacht, wenn ich mal wieder alles viel zu ernst sehe. Meine Eltern sind die Retter in der Not, ob emotional, zurechtrückend, objektiv den kühlen Kopf bewahrend – selbst finanziell, wenn es mal eng wird. Mama ist ein Vorbild für mich! Sie ist stark, zielstrebig und klug. Sie ist es, die es als ältestes Mädchen von zwölf Kindern durchgesetzt hat, eine Ausbildung machen zu dürfen, obwohl sie eigentlich im Haushalt „gebraucht“ wurde. Die für ihre jüngeren Geschwister die Mutterrolle übernommen hat und bis heute großherzig auch an andere denkt. Die unter widrigsten Bedingungen im kalten Zimmer ohne Heizung und ohne Geld für Bücher studiert hat und nach meiner Geburt im Anschluss an den Mutterschutz gleich wieder arbeiten gegangen ist (was in den 70er Jahren alles andere als an der Tagesordnung war). Sie hat mit meinem Vater, der es als Einzelkind gewohnt war, verwöhnt und betüddelt zu werden (ich weiß Papa, das wirst du jetzt nicht gerne lesen), Konflikte ausgetragen und sich der traditionellen Rollenverteilung erfolgreich widersetzt. Für meinen Vater ist es bis heute selbstverständlich, auch unter den argwöhnischen Blicken und spöttischen Bemerkungen des Nachbarn die Wäsche aufzuhängen, zu staubsaugen oder die Einkäufe zu erledigen. Als Kind dachte ich immer, das sei „normal“, bis ich zuerst in den Familien meiner Freundinnen gesehen habe und später in der großen weiten (auch und vor allem der Arbeits-) Welt feststellen musste, dass es leider nach wie vor überwiegend Männer sind, die in den meisten Bereichen die Macht und das Sagen haben. Dass ihr mir Gleichberechtigung vorgelebt habt, dafür danke ich euch! Heute bin ich selbst Mutter und weiß mehr denn je zu schätzen, was du Löwen-Mama, für uns „Kinder“ geleistet und erkämpft hast.
ICH koche freiwillig…
Mit dem traditionellen Muttertagsfrühstück wollte ich meiner Mutter eine Freude machen, aber ich habe mich auch selbst beschenkt. Den Vortag habe ich genutzt, um zu kochen – sogar Sirup und Marmelade! –, Eis zu machen und zu backen (den Hefezopf empfehle ich nur eingeschränkt, er ist zwar gut gelungen und hat super geschmeckt, aber man braucht eeeeewig Zeit, weil das verdammte Ding dauernd ruhen und gehen will). Wer mich kennt, weiß, dass ich am Herd stehen früher gehasst habe und auch nicht mal in Ansätzen gut konnte. Ich muss es leider so sagen. Das Ergebnis eines Käsekuchenversuchs, der beim Umstürzen komplett flüssig auf dem Herd gelandet ist, weil ich unter „unbedingt lange genug auskühlen lassen“ fünf Minuten verstanden habe, hat mein Bruder bewundernd „Dresden 45“ getauft!
Aber Vorgestern war es für mich eine Kraftquelle, den verrückten Corona-Alltag mit zwei Kleinkindern weiterhin meistern zu können. Es hat mir gut getan, konzentriert und fokussiert Leckeres herzustellen, die Zeit zu vergessen und ganz im Hier und Jetzt sein zu können.
Alltägliche Dinge genießen
Ganze zwei Tage hatte ich Zeit, Dinge zu tun, die ICH tun wollte, ohne auf die Bedürfnisse meiner Familie, insbesondere meiner beiden Goldschätze, Rücksicht nehmen zu müssen. Ich konnte ganz laut MEINE Musik hören und dazu zählen nicht Lieder wie „Laterne, Laterne“; „Häschen in der Grube“ oder „La le lu“! Ich konnte mich ohne Zeitdruck duschen, eincremen, schminken und föhnen. Genussvoll eine Schwarze-Johannisbeer-Joghurt-Maske in aller Ruhe einwirken lassen, die Erfrischung und eine samtweiche Haut versprochen und tatsächlich gehalten hat. Und es war sogar Zeit, nach Ewigkeiten meine Zähne mal wieder zu bleachen, was voraussetzt, für ein paar Stunden nicht sprechen zu können – im normalen Alltag mit zwei Kleinkindern undenkbar! Ich habe mich mit Nachbarn verquatscht, ohne im Hinterkopf meine To-do-Liste mit mahnendem Zeigefinger nerven zu sehen. Ich konnte mir schicke Sachen anziehen, mich mal wieder als Frau fühlen, nicht nur als Muttertier mit bematschten, praktischen Jeans-, Turnschuh- und Pulli-Klamotten. Denn sind wir mal ehrlich: Wer zieht sich hohe Hacken und ein Seidenkleid an, wenn er zwei schokoladenliebenden Wirbelwinden und Weltentdeckern schutzlos ausgeliefert ist?! Denen er (in der Regel ist es SIE) sehr schnell und sehr oft hinterherlaufen muss, wenn sie mal wieder, wuselig wie Ameisenhaufen, in zwei verschiedenen Richtungen unterwegs sind, weil sie einen Hund, eine Katze, einen Käfer oder was auch immer entdeckt haben und nichts anderes mehr um sich herum wahrnehmen. Keine Straße, keinen Abhang, keine Brennesseln…
Ich bin mehr als „nur“ Hausfrau und Mutter
Aber vor allem und das ist für mich gerade das Wichtigste: Ich kann schreiben. Das fehlt mir so unendlich. Und ich genieße es in vollen Zügen mit dem Laptop auf dem Schoß. Obwohl das Haus mehr oder weniger in Trümmern liegt, mich fünf große IKEA-Kisten mit immerhin gewaschener, nach Größen sortierter Kinderkleidung anstarren, die weggeräumt werden wollen, überall Spielsachen rumliegen und die zweite Hälfte der Bügelwäsche auf das heiße Eisen wartet (ich habe übrigens aus Zeitmangel seit Juni 2019 nicht mehr gebügelt, würde die schönen Sommersachen aber gerne nochmal tragen, wenn es jetzt warm wird…). Es ist mir gerade egal!
Auch wenn mich diese in den Augen einer perfekten Hausfrau „Nachlässigkeit“ wieder einige Stunden Schlaf kosten wird, der mir ohnehin fehlt. Ich bleibe dabei, es ist mir egal!
Mein Entschluss steht fest! Mein Leben darf sich nicht weiterhin nur auf Muttersein und Hausarbeit beschränken. Die Unzufriedenheit wächst von Tag zu Tag. Das zeichnet sich in der aktuellen Corona-Ausnahmesituation immer deutlicher ab. Meine Arbeit, mein(e) Beruf(ung) sind eben auch Bestandteil meiner Person.
Mein Plan war, mich selbstständig zu machen, wenn K2 mit zwei ab August ENDLICH einen Kita-Platz hat. Die Zusage haben wir vor Corona erhalten. Was jetzt Stand der Dinge ist? Das weiß niemand…
An unserem Wohnort ist die Situation derzeit so, dass die Kita in der Regelbetreuung (rund vier Stunden vormittags!) zum Glück zwar kostenlos ist (in der Nähe von Heidelberg haben wir für einen Halbtagsplatz monatlich an die 600 Euro FÜR EIN KIND bezahlt!), die Einrichtungen aber völlig ausgelastet sind und null Kapazitäten freihaben, kleinere Kinder unter zwei Jahren betreuen zu können.
Der Business-Plan ist fertig, ruht in der Schublade und wartet geduldig auf seine Umsetzung. Ich hingegen werde zunehmend unruhig! Mir fehlt die intellektuelle Herausforderung, das berufliche Erfolgserlebnis, mal wieder unter Erwachsenen zu sein, „sinnvolle“ Gespräche zu führen (K1 und 2 sind momentan im Rollenspiel-Fieber und ich kommuniziere sehr oft mit Hähnen, Eichhörnchen, Fohlen, kleinen „Mini-Babys“, Yakaris, Annas und Elsas, Feuerwehrmann Sams, Maschas und Bären…).
Und nicht, dass das jetzt falsch rüberkommt: Ich liebe meine beiden Wunschkinder über alles und würde sie niemals, für keinen Job und kein Geld dieser Welt wieder hergeben! Dennoch fehlt mir etwas, das mein Leben komplett und mich rundum zufrieden sein lässt. Ich möchte wieder arbeiten und wie meine Mutter für mich, Vorbild für meine Töchter sein. Die später hoffentlich gleichberechtigt sind, finanziell unabhängig (ein tolles Gefühl!), sich Haus- und Care-Arbeit mit ihren Partnern gerecht aufteilen.
Corona bringt Chaos – in jeglicher Beziehung
Corona hat mich nicht nach meinem Plan gefragt. Der Scheiß-Virus (hätte ich beinahe geschrieben) ist einfach aufgetaucht, hat mich stärker ans Haus gefesselt und mein Leben mit den Kindern noch anstrengender und chaotischer gemacht, als es vorher ohnehin schon war.
Mehr denn je bin ich Entertainerin, kreative Bastel-, Mal- und Knetexpertin, Sportlehrerin, Wanderführerin, Dompteurin, Ausflugsplanerin, Vorleserin, Trösterin, Ärztin, Streitschlichterin, Ins-Bett-Bringerin und vieles mehr. Und nicht, dass mir das keinen Spaß machen würde. Überwiegend liebe ich das, aber der kleine Rest – genannt das Bisschen Haushalt – macht sich eben nicht von allein!
Ich koche, wasche, spüle, räume auf und hinterher, sortiere, staubsauge, putze (manchmal… und müsste es öfter tun, damit ich mich wohlfühle…), und kaufe ein (möglichst nur einmal in der Woche, um die Kontaktanzahl möglichst gering zu halten, was wiederum aber mit einer sehr aufwendigen Planung verbunden ist).
Alles dauert dreimal so lange, weil die zwei Teufelsbraten mir ewig am Bein kleben und gerne helfen wollen oder währenddessen auf sehr verrückte Ideen kommen, mit denen niemand rechnen kann. Meine Kinder sind sehr einfallsreich und in jeglicher Beziehung unberechenbar, was sie gleichzeitig noch liebenswerter macht!
Ich versuche, sie in die Hausarbeit einzubinden, was mal mehr mal weniger erfolgreich gelingt. Selbst der Osterhase hat ganz uneigennützig kleine Besen und Putzutensilien gebracht. Das Bad mit den beiden sauber machen zu wollen, war zum Beispiel keine gute Idee. Anfangs noch Feuer und Flamme mit dem Swiffer-Staubmagneten umherwedelnd, waren sie, während ich mich mit scharfen Reinigern der Toilette widmen wollte, begeistert dabei, die Fische auf dem Grund des Badezimmerfußbodens mit Fischfutter (dutzende Tampons) anzulocken, um sie mit einer kleinen Plastikangel aus dem Tiefen des Meeres zu fischen. So habe ich zwar in der einen Ecke des Raumes kurzfristig etwas erreicht, die andere versinkt aber im Chaos. Auch einer meiner meine-Kinder-sitzen-auf-der-Arbeitsplatte-während-ich-koche-Versuch ist kläglich gescheitert: K1 ist abgestürzt und K2 hat sich aus Neugierde die Finger verbrannt. Ging glücklicherweise alles glimpflich aus!
Retter in der Not: TV und Fastfood
Und so ist der Fernseher zu meinem Freund und Verbündeten geworden, der mich unterstützt, wenn ich dringend vorankommen und etwas alleine machen möchte. An dieser Stelle ein großes Dankeschön an KIKA, Super RTL, Amazon Prime und Disney +! Ihr seid in vielen Momenten für mich unverzichtbar und in der Mama-Not zuverlässig zur Stelle. Auch die Erfinder von Pommes, Pizza, Tütensuppen und Co müssen dringend mal gelobt werden. Denn ihr seid es, die den Kindern und mir viele schöne Erlebnisse ermöglichen, wenn ich mich anstatt fürs aufwendigere, gesunde Kochen für den spontanen Ausflug an den nahegelegenen See, den Ententeich oder seit Neuestem zum Glück wieder zum Spielplatz entscheide. Ich kann mich schließlich nicht zehnteilen!
Unterstützung gefragt
Ich brauche Hilfe, die mir Corona versagt. Das lässt mich ohnmächtig zurück. Ich brauche Unterstützung bei der Kinderbetreuung und im Haushalt. Aber woher soll sie kommen? Die Kitas sind zu, die Großeltern sollen nicht betreuen und die Babysitterin, die zumindest zwei Stunden in der Woche kam, fällt ebenfalls weg. Eine zuverlässige Putzfrau habe ich schon vor dem Virus nicht finden können. Ich bin im doppelten Sinne hilf-los.
Wie schaffen das die anderen Mütter? Ich befinde mich noch in einer vergleichbar privilegierten Situation und jammere auf hohem Niveau. Mein Mann hat einen sicheren Beamtenjob, wir sind nicht von Kurzarbeit betroffen und finanziell ändert sich glücklicherweise nichts. Ich habe einen Partner, der zwar selten freiwillig aber zumindest nach vorheriger Beauftragung Aufgaben übernimmt, auch wenn die Planung, das sich-verantwortlich-Fühlen und für-alle-Mitdenken doch zum Großteil auf meinen Schultern lasten. Ich bin weder alleinerziehend, noch habe ich zusätzlich pflege- oder unterstützungsbedürftige Angehörige. Ich muss neben der Kinderbetreuung nicht gleichzeitig im Homeoffice arbeiten (möchte ich aber, denn ich muss auch mal was anderes tun außer Windeln wechseln, Aufkleber kleben oder Lego spielen – für mich) und mich Gott sei Dank auch nicht als Hobbypädagogin im Homeschooling bewähren (meine Kinder haben diesbezüglich gerade großes Glück!).
Mütter sind systemrelevant aber unsichtbar
Ich möchte den verantwortlichen Politikerinnen und Politikern zurufen: „Hallo! Hier sind wir! Wir brechen bald reihenweise zusammen und dann habt ihr auch nichts gewonnen. Denn dann funktioniert unsere gesamte Gesellschaft nicht mehr. Dieses Konstrukt, das unter anderem darauf basiert, dass Frauen nahezu die gesamte Care-Arbeit unentgeltlich erledigen und zu eurem Glück nicht aufmucken, weil sie einfach zu erschöpft und müde sind. Aber wir sind es auch, die die nächste Generation an Steuerzahler/innen erziehen!
Retraditionalisierung
Mir kommt das Kinder- und Familienthema in der öffentlichen Debatte zu kurz, viel zu kurz. Ja, es gibt Stimmen, aber die sind für meinen Geschmack zu leise. Die Kitas sind seit Wochen geschlossen. Wo bleiben die intelligenten, kreativen Konzepte für Kinder und ihre Familien? Ist hier der Druck nicht groß genug, weil eine starke Lobby fehlt oder vermeintlich zu wenig Geld im Spiel ist? Hauptsache die Bundesliga spielt wieder?! Wenn ich die Soziologin Jutta Allmendinger höre, wenn sie für uns Mütter eine Retraditionalisierung prognostiziert und erkennt, dass uns Corona in alte Rollenmuster zurückdrängt, wird mir Angst und Bange. Um 30 Jahre ist ihrer Einschätzung nach die Gleichberechtigung zurückgeworfen worden. Das hatte ich mir für meine Mädchen ehrlich gesagt anders gewünscht!
Ich verlange keine flächendeckende Öffnung der Kitas um jeden Preis, aber eine Perspektive, wie es verantwortungsvoll, der Gefährlichkeit des Virus Rechnung tragend realistisch weitergehen kann. Dass wir auf eurer Prioritätenliste an höherer Stelle auftauchen und nicht vergessen werden.
Wir zahlen einen gesellschaftlich hohen Preis
Darf uns das psychische Wohlergehen und die gesunde Entwicklung von Kindern egal sein, die zum Beispiel langfristig ihre Freunde nicht sehen dürfen? K1 schläft manchmal traurig mit ihrem Kindergartenbild im Arm ein, hat hin und wieder Albträume, dass ich sie als Einzige wegen „der Krankheit“ nicht mit ihren Freunden spielen lasse, bastelt sich ihre Kameraden beim Frühstück aus Brotstücken und spielt jeden Tag, dass sie Geburtstag hat und alle Freunde zum Feiern kommen dürfen – da blutet einem als Mutter das Herz! Oder die in einer Realität aufwachsen, in der der Kontakt zu anderen Menschen als gefährlich wahrgenommen wird: K2 entwickelt eine regelrechte Phobie vor „Leuten“ und klammert sich jedes Mal hilfesuchend an mich, wenn uns Spaziergänger entgegenkommen. Die ihren Tages- und Schlafrhythmus, ihren gewohnten Alltag verloren haben. Die keine warmes Mittagessen in der Ganztagsschule mehr bekommen und im schlimmsten Fall Vernachlässigung und häuslicher Gewalt ausgeliefert sind. Die die Krankheit in ihrer kindlichen Vorstellung nicht erfassen können (K1 vermutet hinter jedem Verbot, dass Corona dahinterstecken könnte: „Ach so, wegen der Krankheit darf ich zum Frühstück keine Schokolade essen“). Die den Kontakt zu Gleichaltrigen für die Entwicklung ihres Sozialverhaltens dringend brauchen. Oder die von ihren Eltern keine Unterstützung bei den Hausaufgaben erhalten.
Appell an die politisch Verantwortlichen
Können und wollen wir auf intelligente, gut ausgebildete Frauen verzichten? Ich finde nicht! Also macht gefälligst was! Sorgt mit dafür, dass Frauen in wirklich systemrelevanten Berufen wie der Pflege und der Kinderbetreuung aber auch an der Supermarktkasse endlich Anerkennung erhalten und angemessen bezahlt werden. Schafft Rahmenbedingungen, die Frauen ermöglichen, sich mit ihren Fähigkeiten und Talenten einzubringen. Dafür benötigen sie Entlastung, zeitliche und finanzielle Freiräume.
Auch wenn ich jetzt fordere und motze, macht ihr aktuell einen wirklich guten Job! Ich wollte momentan nicht tauschen und schwerwiegende, existenzielle Entscheidungen treffen müssen. Ich bin dankbar, in einem demokratischen, wohlhabenden Land mit verbrieften Grundrechten und einem funktionierenden Gesundheitssystem leben zu dürfen, das nicht von Idioten regiert wird!
Jetzt muss ich los, die Bügelwäsche drängelt und meine Familie kommt gleich nach Hause…
Claudia Klemt
(Mama, Redakteurin, unparteiische politische Beobachterin)